Es wird viel über den Pflegenotstand in Deutschland gesprochen, wie etwa hier auf der Website der Tagesschau, aber was bedeutet das? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu dem Thema in diesem Artikel.
Wie ist die heutige Situation?
Kaum eine Branche wird durch einen so derart eklatanten Fachkräftemangel charakterisiert wie der Bereich der Pflege. Die über viele Jahre praktizierte Reduzierung von Personalkosten schlägt sich heute in einem eklatanten Mangel an Fachkräften in den Pflegeberufen nieder. Dies hat zur Folge, dass die Überlastung der Pflegenden immer eklatanter wird. Umso schlimmer wird diese Bestandsaufnahme, wenn man sich vor Augen führt, dass wohl jeder Mensch im Alter oder wenn er von einer schweren Krankheit betroffen ist, liebevoll versorgt werden möchte.
Bei einem Blick in die Zukunft stellt man fest, dass bis zum Jahr 2030 ein Bedarf von 300.000 zusätzlichen Stellen in der Pflege prognostiziert wird. Diese Prognosen basieren auf einer Hochrechnung, auf Basis der demografischen Entwicklungen.
Was bedeutet diese Situation für die Qualität der Pflege?
Um trotz des Mangels an Personal die notwendigen Leistungen in der Pflege erbringen zu können, arbeiten die momentan 1,7 Millionen Beschäftigten in diesem Bereich unter erschwerten Bedingungen. Überstunden und Arbeiten unter Zeitdruck sind feste Bestandteile der täglichen Arbeit. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Qualität der Pflege. Zusätzlich wird die Gesundheit der Pflegenden einer hohen Belastung ausgesetzt.
Die Konsequenzen dieses Personalmangels sind bereits heute sichtbar. Viele Pflegedienste können aufgrund fehlender Kapazitäten keine weiteren Patienten mehr annehmen. Einige müssen sogar bestehende Verträge auflösen.
Die Folgen sind allerdings nicht nur bei der ambulanten Pflege sichtbar. Eine Reihe von Alten- und Pflegeheimen müssen aufgrund von Personalmangel bereits heute Patienten ablehnen.
Welche Ursachen hat der Pflegenotstand?
Aus Sicht der Experten sind eine Reihe von Gründen für die problematische Situation in der Pflege verantwortlich.
Die Arbeitsbedingungen und die Vergütung der Pflegekräfte werden im internationalen Vergleich als unterdurchschnittlich eingestuft. Dies führt häufig dazu, dass ausgebildetes Personal nach mehreren Berufsjahren der Pflege den Rücken kehrt. Dies passiert, weil die körperliche und emotionale Belastung, die diese Tätigkeit mit sich bringt, nicht mehr erträglich ist.
Auch die hohe Anzahl an Teilzeitstellen in diesem Bereich hat zu dieser Entwicklung beigetragen und die Arbeit in der Pflegebranche nicht attraktiver gemacht. Diese Entwicklung wurde durch die Pflegebranche sogar forciert, weil mit dieser Struktur die Hoffnung verbunden wurde, flexibel auf kurzfristige Entwicklungen reagieren zu können.
Wie wird sich die Personalsituation in der Pflege entwickeln?
Wenn man sich die Altersstruktur der Pflegenden ansieht, so stellt man fest, dass 40 % der Pflegenden bereits älter als 50 Jahre sind. Dies bedeutet, dass ein Großteil der heute in der Pflege Tätigen in absehbarer Zeit nicht mehr verfügbar sein wird.
Die Zahl der nachrückenden Pflegekräfte, die gerade Ihre Ausbildung beenden, ist nicht ausreichend, um die Lücken zu füllen, die durch das Ausscheiden der älteren Kollegen entstehen.
Die schwierigen Arbeitsbedingungen sorgen dafür, dass die Abbrecherquote in der Ausbildung bei 30 % liegt. Dies ist ein extrem hoher Wert und zeigt, wie groß der Realitätsschock ist, den viele junge Menschen erleiden, wenn sie ihre berufliche Tätigkeit in der Pflege aufnehmen. Gerade diese jungen Nachwuchskräfte sind die Lösung gegen den Pflegenotstand, aber hier müssen Arbeitsbedingungen, Zukunftsaussichten und Karrierechancen gegeben sein.
Als weiteres Problem kommt hinzu, dass der Pflegebereich häufig bereits nach wenigen Berufsjahren wieder verlassen wird, weil die Arbeitsbedingungen in anderen Bereichen wesentlich attraktiver sind. Hier sind die Aussicht auf eine höhere Bezahlung und auf geregelte Arbeitszeiten, ohne Schichtdienst, so verlockend, dass dem Pflegebereich hier rasant der Rücken zugewandt wird.
Es hat sich mittlerweile sogar ein Marktsegment entwickelt, dass sich mit der beruflichen Neuorientierung von Beschäftigten aus der Pflegebranche beschäftigt. Darüber hinaus versuchen auch viele Projekte von dem Pflegenotstand in Deutschland zu profitieren und nutzen den Mangel an Pflegekräften aus, wie etwa in Form von Arbeitnehmerüberlassungen und Zeitarbeitsfirmen.
Diese Entwicklungen zeigen klar auf, dass die Probleme in der Pflegebranche in den nächsten Jahren weiter zunehmen werden und auch gesellschaftlich zunehmend problematisch sein werden.
In vielen Pflegeeinrichtungen können Stationen durch den Pflegenotstand nicht genutzt werden, weil die benötigten Pflegefachkräfte nicht verfügbar sind. Dies hat natürlich Auswirkungen auf das wirtschaftliche Ergebnis der Betreiber. Zurzeit scheint der entstehende Schaden allerdings nicht hoch genug zu sein, um eine Investition in die Quantität und die Vergütung des Personals wirtschaftlich sinnvoll erscheinen zu lassen.
Die Auswirkungen des Pflegenotstands, vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, in der der Anteil der Älteren immer höher wird, ist verheerend.
Um eine Situation in der Pflege zu schaffen, die der demografischen Entwicklung der Gesellschaft entspricht, ist es unerlässlich, gegen den Pflegenotstand entsprechende Maßnahmen einzuleiten, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die eine berufliche Tätigkeit in der Pflege auch für jüngere Menschen wieder langfristig attraktiv werden lässt. Hier sollten die Rahmenbedingungen zeitnah angepasst werden, damit die Gesellschaft in der Lage ist, der zukünftigen Verantwortung gegenüber den Alten und Kranken gerecht zu werden.
Hast Du Ideen, was Deutschland gegen den Pflegenotstand unternehmen muss? Schreib es uns gerne in die Kommentare.